Gastbeitrag*) Virtueller Helfer in der Corona Krise – Wie die Public Cloud hilft, Netflix Serien zu streamen und bei TUI Kosten zu senken

Die Corona-Krise stellt Gesellschaft, Politik und Wirtschaft aktuell auf eine nie dagewesene Zerreißprobe. Auch im IT-Bereich sind die Auswirkungen spürbar. Büroschließungen und soziale Distanzierung haben zu einem massiven und anhaltenden Anstieg der Nutzer von Kollaborations-, Einkaufs- und Unterhaltungsplattformen geführt, da die ganze Welt persönliche Interaktionen in virtuelle umwandelt.

Bisher ist dieser beispiellose Wandel, mit nur geringen Ausfällen und Störungen abgelaufen. Während Millionen Menschen auf der ganzen Welt danach streben, produktiv zu bleiben und gegen die Langeweile anzukämpfen, ermöglichte die Public Cloud Videokonferenzen, Remote-Arbeit, E-Commerce, Bildung, Spiele und Streaming-Videofirmen, die spektakuläre und ungeplante Nachfrage in einer Weise zu befriedigen, die vor einem Jahrzehnt noch unmöglich gewesen wäre. Dieser Erfolg lässt sich zum Teil damit erklären, dass viele Unternehmen skalierbare und hochverfügbare Infrastrukturen auf Public Cloud Anbietern, wie Amazon, Google und Microsoft erstellt haben. Doch wie genau wirkt sich die Cloud in Zeiten von Corona auf uns aus?

Verfügbarkeit – Der Grund, warum die Netflix Serie jeden Abend problemlos geladen wird

Trotz eines massiven Anstiegs der Nutzerzahlen, konnten Unternehmen, die sich täglich mit Cloud-Anbietern auseinandersetzen, keine großflächigen Störungen beobachten. Dafür verdienen die Public-Cloud-Giganten Anerkennung. Unternehmen und Benutzer schätzen die Widerstandsfähigkeit von Frontend-Anwendungen, wie Zoom, Skype und Slack, die in den letzten Wochen bewiesen wurde. Letztendlich sind es allerdings die Backend-Infrastrukturen von AWS, Microsoft Azure und Google Cloud, die dafür sorgen, dass diese inzwischen existentiellen Dienste reibungslos funktionieren. Jeder hat in diesen Tagen mit starken Einschränkungen zu kämpfen. Besonders auf Informationsportalen der deutschen Bundesregierung, kam es des Öfteren zu Outages nach den Veröffentlichungen von Entwicklungen und Neuigkeiten zum neuartigen Covid-19 Virus. Vor diesem Hintergrund kann man deutlich erkennen, wie wichtig eine skalierbare Infrastruktur, auch für das Wohl der Gesellschaft ist.

Kosten für den Notfallbetrieb senken

In einigen Industrien führt der aktuelle Lock-Down zu extremen Lastspitzen und bei anderen, wie Reisportalen oder Flugbuchungswebsites, bleibt der Traffic gänzlich aus. Die IT-Leiter des Reiseunternehmens TUI, haben mit Hilfe der AWS Cloud, ihre IT-Infrastrukturkosten kurzfristig um die Hälfte reduzieren können. Dies wird durch das so genannte “Pay-as-you go Prinzip” der Cloud Anbieter ermöglicht. Nur Anwendungen die tatsächlich genutzt werden, verursachen Kosten für die Konzerne. Dies zeigt, wie überlebenswichtig eine kurzfristige Reduktion der Kosten im IT-Bereich sein kann.

Einige Kunden aus der Reiseindustrie haben sich sogar entschieden, ganze Cloud Accounts abzubestellen und Services herunterzufahren, um die Kosten noch deutlicher zu senken. Mit firmeneigenen Rechenzentren oder einem privaten Cloud Ansatz, hätte dies unter keinen Umständen so schnell und drastisch umgesetzt werden können. Bislang ist noch ungewiss, wann die Welt wieder zur Normalität zurückkehren kann. Sollte dies der Fall sein, sind Firmen jedoch auch für einen Anstieg des Reisevolumens bestens vorbereitet, da sich die Kosten bei den meisten Services nach dem Verbrauch orientieren.

Automatisierung, Infrastructure-as-Code und Infrastruktur-as-a-Service-Anbieter

Neben den großen Cloud Anbietern eine weitere Gruppe von versteckten Helden der Corona-Krise. Der plötzliche Wechsel zur Fernarbeit und Social-Distancing, wäre ohne Softwarelösungen, die eine schnelle, sichere und konsistente Bereitstellung von Anwendungsumgebungen ermöglichen, nicht möglich. Das DevOps-Startup HashiCorp, die Macher hinter dem bekannten DevOps-Tool Terraform, hat in der vergangenen Woche die größte Anzahl von Open-Source-Downloads in seiner Geschichte erlebt, sagte Dave McJannet, CEO von HashiCorp, gegenüber CRN. “Die Welt geht plötzlich mit großer Geschwindigkeit online” führte er aus. Lösungen zur Konfiguration von Cloud-Infrastrukturen wie Terraform, haben es Software-as-a-Service-Anbietern und Unternehmen auf der ganzen Welt ermöglicht, den Betrieb schnell zu skalieren. Ansible, ein Infrastruktur-Konfigurationsmanager von Red Hat und heute ein Tochterunternehmen von IBM, ist ein weiteres Produkt, das es ermöglicht, komplexe Cloud-Umgebungen auf Knopfdruck gemäß dem Infrastruktur-als-Code-Mantra der DevOps-Bewegung bereitzustellen. Dadurch, dass die Infrastruktur nun gescriptet ist und virtuell vorliegt, können Entwickler-Teams auch im Home-Office an kritischen Komponenten arbeiten, ohne dabei die Büroräume zu besuchen. Das gesamte Tech-Stack von Konzernen wird in Zeiten wie diesen auf eine harte Zerreißprobe gestellt und bestraft jeden manuellen Schritt, der in der Vergangenheit nicht ausreichend digitalisiert wurde.

VPN Zugänge und virtuelles Arbeiten

Die deutschlandweite Ausgangssperre stellt besondere Anforderungen an alle Mitarbeiter im Unternehmen. Alle nötigen Zugänge und Verbindungen, die für die Arbeit benötigt werden, müssen innerhalb kürzester Zeit von zu Hause erreichbar sein, damit die Aufgaben weiterhin erfüllt werden können. Bei Public Cloud Anbietern ist es möglich, auf Knopfdruck neue Netzwerke und VPN Verbindungen herzustellen. In eigenen Rechenzentren erfordert dies größere Anpassungen, die auch meistens nur vor Ort umgesetzt werden können. Die Reaktionsgeschwindigkeit von Unternehmen, die bereits entsprechende Infrastrukturen auf Cloud Anbietern entwickelt haben, ist dementsprechend deutlich schneller. Auch die Wartung von Servern und Datenbanken in den eigenen Räumlichkeiten, ist durch die Ausgangsbeschränkungen schwer durchzusetzen.

Globale Abhängigkeit

Besonders im medizinischen Bereich ist die globale Abhängigkeit von outgesourceten Produktionsanlagen, nun ein extremer Nachteil für die Lieferketten. Dies schafft auch Ansatzpunkte für die technologische Abhängigkeit systemrelevanter Firmen, von großen Cloud-Anbietern. Vor diesem Gesichtspunkt kann durchaus hinterfragt werden, ob die Abhängigkeit von großen Cloud Anbietern geschäftskritisch sein könnte. Droht nach dem Kampf um die Gesichtsmasken nun auch der Wettbewerb um Rechenleistung und Speicherplatz? Aktuell wird dieses Risiko eher gering eingeschätzt, doch sollte dies der Fall sein, gilt es die Frage nach einer europäischen oder deutschen Cloud zu beantworten. Das Projekt unter dem Namen „Gaia-X“ bekannt, initiierte von Peter Altmaier, setzt genau bei diesem Problem an. Besonders in Krisenzeiten muss auch die technologische Infrastruktur bereitstehen, eine Gesellschaft mit aktuellen Informationen und virtuellen Dienstleistungen versorgen zu können. Die Krise sollte als aktueller Motivation dienen, eine regionale Konkurrenz zu den großen amerikanischen Cloud-Anbieter zu entwickeln, um im Notfall auch technologisch auf eigenen Beinen stehen zu können. Wo die Cloudanbieter Amazon, Microsoft und Google jedoch Punkten können, ist die große Anzahl an hochgesicherten Rechenzentren, welche auf der ganzen Welt verteilt sind. Dies schützt Nutzer dieser Cloudanbieter vor Ausfällen, sollten einzelne Rechenzentren oder ganzen Standorten aus verschiedensten Gründen nicht mehr verfügbar sein. Diesen Schutz mit eigenen Rechenzentren vorauszusetzen, können sich wohl nur wenige Firmen leisten, da dies eine hohe Redundanz von Hardware und Daten erfordert, was besonders für Großunternehmen kostspielig werden kann.

Die Corona Krise als Treiber für Digitalisierung

Die Krise hat für den Großteil der Unternehmen extreme Nachteile. Das Cloud-Geschäft könnte jedoch eine der wenigen Sektoren sein, die von der aktuellen Situation profitieren. Viele Unternehmen haben gemerkt, wie wichtig eine beidseitig skalierbare IT-Infrastruktur sein kann. So wichtig, dass es die Existenz einer Firma bestimmen kann. Auch das Arbeiten aus dem Home-Office, könnte sich positiv auf die Cloudanbieter auswirken. Auch wenn kurzfristig die Investition in den meisten Unternehmen zurückgefahren werden, ist es durchaus möglich, dass gerade mittel und langfristig die Investition in flexible Cloud-Infrastruktur steigt. Sodass in Zukunft, mehr Firmen besser auf eine derartige Extremsituation vorbereitet sind. Die Corona Krise könnte daher ein Treiber der Digitalisierung sein, gerade für Firmen, die sich bislang gegen die Implementierung dieser Technologien entschieden haben. Wie die Corona-Krise vor 5, 10 oder 15 Jahren ausgesehen hätte bleibt wohl ein Gedankenspiel. Sicher ist, dass weit weniger Firmen agil und skalierbar in Ihren IT-Abteilungen aufgestellt gewesen wären. Wie der Alltag ohne funktionsfähiges Netflix und regelmäßige Zoom-Meetings ausgesehen hätte, will man sich zu diesem Zeitpunkt lieber nicht vorstellen. Die meisten dieser Dienste haben moderne Cloud-Infrastrukturen inkorporiert und können daher, trotz widriger Umstände, ihren Zweck erfüllen. So kann man durchaus sagen, dass auch die Public Cloud eine der heimlichen Helden dieser Corona Krise ist.

*) Autor des Beitrags ist Tobias Drechsel, Partner & CEO bei der Thinkport GmbH aus Frankfurt am Main.